
Opel, Karstadt, Porsche – die Debatte um mögliche Staatshilfen dreht sich immer schneller. Betroffene Arbeitnehmer auf der einen Seite, marktwirtschaftliche Bedenken auf der anderen. Wem soll der Staat noch alles helfen? Der Bundesregierung wird in ihrem eigenen Strudel der Konzeptlosigkeit der Boden weggerissen. Die Entscheidungen dürfen nicht wahllos getroffen werden, sondern brauchen ein Fundament. Chance und Risiko sind in der Marktwirtschaft zwei Seiten der gleichen Medaille – dieser Grundsatz muss bestehen bleiben. Das bedeutet, zunächst stehen die Eigentümer und Gläubiger des Unternehmens in der Pflicht. Dann muss nach möglichen privaten Investoren gesucht werden. Erst als letzte Möglichkeit kommen Staatshilfen in Betracht. Die derzeitige Flucht der Eigentümer aus ihrer Verantwortung in die rettenden Arme des Staates darf nicht weitergehen. Es ist nicht Aufgabe des Staates, das Privatvermögen von Milliardären mit Steuergeldern zu schützen. Dennoch kann es nicht sein, dass die Managementfehler vom Bandarbeiter und von der Verkäuferin an der Kasse ausgebadet werden. Wenn die Voraussetzungen stimmen, muss der Staat in dieser enormen Krise in letzter Instanz bereit sein, mit verschiedensten Instrumenten zu helfen. Dabei gilt jedoch: Jeder Einzelfall muss getrennt geprüft werden, und es muss eine doppelte Dividende geben – nicht nur neue Schulden, sondern auch eine Neustrukturierung hin zur Verbindung von Ökologie und Ökonomie.
Die Welt und auch wir in Deutschland haben schon viel zu lange deutlich über unsere Verhältnisse gelebt. Weder die Hatz nach 25 Prozent Rendite, noch unseren Raubbau an der Natur können wir auf Dauer durchhalten. Im Moment steht die Wirtschaftskrise im Fokus der Menschen, doch wir dürfen Klima- und Hungerkrise nicht vergessen. Die drei Krisen verbindet ihre gemeinsame Ursache – unsere Art zu leben und zu wirtschaften.
Wir Grüne streben mit einem grünen Neuen Gesellschaftsvertrag eine neue Übereinkunft darüber an, wie wir leben, arbeiten, produzieren und transportieren wollen. Wir brauchen eine neue Definition, was Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert bedeutet. Wir wollen Ökologie und Ökonomie verbinden – denn nur darin liegt die Zukunft für die Wirtschaft und für die Umwelt.
Nur wer erkennt, dass die grüne Technologie der Markt der Zukunft ist, schafft sichere Arbeitsplätze für morgen. Wenn Grüne von den Zukunftsbereichen sprechen, gehen viele davon aus, dass sie die Erneuerbaren Energien meinen oder die Ökolandwirtschaft. Und tatsächlich: Die Umweltbranche ist längst zur neuen Leitindustrie geworden. Bereits heute arbeiten mehr als 1,8 Mio. Menschen in der Umweltwirtschaft. Alle Prognosen sehen ein überproportionales Wachstum im Bereich Umwelttechnologien voraus. Bis 2020 wird sich die Zahl der Arbeitsplätze mindestens verdoppeln. Das grüne Jobwunder bei den Erneuerbaren Energien allein wird die Arbeitsplatzverluste der Krise jedoch nicht kompensieren. Wohl aber weisen diese Vorbilder den Weg. Jetzt geht es darum, Maschinenbau, Automobil-, Chemie- und Elektroindustrie auf den grünen Weg zu setzen. Denn nur wenn der Blaumann grün wird, hat er eine Zukunft.
Deutschlands Unternehmen sind in vielen Bereichen Weltspitze, in der Chemie, im Maschinenbau und in der Elektroindustrie. Sie können wichtige Beiträge zur ökologischen Modernisierung der Wirtschaft liefern: im Bereich der Energieeffizienz, der Recycling- und Abfallwirtschaft, der Wasser- und Abwassertechnologien und bei integrierten Verkehrssystemen. Doch dazu muss die Politik entschieden Anreize setzen: durch ein innovatives Ordnungsrecht, durch öffentliche Investitionen, durch staatliche Beteiligungen und durch kompetente Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Mit unserem Green New Deal wollen wir einen großen Schritt in diese Richtung machen. Wir wollen die Krise abfedern und den Rahmen für eine Neuorientierung setzen. Unser Green New Deal basiert auf drei Säulen:
Zentraler Teil des Green New Deal ist unsere Joboffensive. Wir wollen in den nächsten vier Jahren eine Million neue Arbeitsplätze schaffen. Denn neben der zwangsläufigen Neuorientierung der Wirtschaft erwarten die Menschen zu Recht Antworten, wo und wie sie heute und morgen ihr Brot verdienen. Dazu verstetigen wir die Investitionen in Klimaschutz, Bildung und soziale Gerechtigkeit bei 20 Mrd. Euro jährlich und verbinden das mit einer ambitionierten Ordnungspolitik.
Auf diesem Weg schaffen wir in den nächsten vier Jahren alleine 400.000 neue Jobs im Bereich der ökologischen Modernisierung: in der Umwelttechnologie, im Ökolandbau, in der Gebäudesanierung. Doch dort bleiben wir nicht stehen. Die Zukunft unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft hängt von einer bestmöglichen Bildung und Ausbildung ab. Deshalb wollen wir die frei werdenden Mittel aus dem Solidaritätszuschlag in einen Bildungssoli überführen. Der Ausbau der Bildungsinfrastruktur ist eine Aufgabe, die wir nur gesamtgesellschaftlich lösen können. Mit unserer Bildungsoffensive wollen wir 185.000 neue Jobs im Bildungsbereich schaffen: mit Kinderbetreuung ab einem Jahr, mit mehr Ganztagsschulen, mit mehr Studienplätzen. Aufgrund der zunehmenden Alterung der Gesellschaft und der Veränderung von Familienstrukturen benötigen wir weitaus mehr Pflegekräfte, um ein würdiges Leben im Alter zu ermöglichen. Zudem wollen wir die Prävention in der Gesundheitspolitik stärken – zusammengenommen schaffen wir hier 150.000 neue Arbeitsplätze. 200.000 weitere Jobs entstehen durch die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Hierzu wollen wir mit unserem Progressivmodell kleine Einkommen von den Sozialabgaben entlasten. Gleichzeitig werden dadurch auch die Lohnkosten für Arbeitgeber geringer und es entstehen mehr Jobs. Unternehmen wollen wir zudem von unnötiger Bürokratie befreien und ihnen damit das Angebot von Arbeit erleichtern.
Politik hat jetzt eine doppelte Aufgabe: Soziale Härten vermeiden und Antworten liefern, die uns gestärkte aus der Krise herausführen. Das ist die Aufgabe, um die es in diesem Jahr geht. Unser Green New Deal ist ein wichtiger Schritt dazu.
Diesen Beitrag verfasste Renate Künast für hbpa.